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06. März 1898: 125. Geburtstag der Schauspielerin Therese Giehse

Schon früh wusste Therese Giehse, dass sie Schauspielerin werden wollte – aber selbst die Eltern bezweifelten ihre Eignung. Doch „Die Giehse“ wurde zur Marke in der deutschsprachigen Theaterlandschaft, arbeitete mit den Geschwistern Mann und Bertolt Brecht. Für Brecht, dessen „Mutter Courage“ sie wie keine andere zum Leben erweckte, war Therese Giehse die „größte Schauspielerin Europas.“ 

Schminke für eine Rolle lehnte sie ab. „Ich lass niemanden an mein Gesicht“, sagte Therese Giehse einmal in einem Interview. Die Schauspielerin wollte keine künstlichen Hilfsmittel wie Make-Up, um ihre Rollen authentisch zu verkörpern. Der Erfolg, den Giehse auf deutschen Bühnen feierte, gab ihr Recht. Sie schlüpfte in eine Vielzahl von Frauenrollen und prägte sie für die Nachwelt. Mit ihrem Talent machte sie sogar das Suppelöffeln auf der Bühne zum Erlebnis.

Vorhersehbar war diese Karriere nicht, sie hätte im Gegenteil schon als Jugendtraum enden können. Denn als die am 6. März 1898 in die jüdische Kaufmannsfamilie Gift geborene Therese den Eltern in ihrer Jugend eröffnete, dass sie Schauspielerin werden wolle, bekam sie zu hören, sie sei nicht schön genug dafür. 

In der Schule erlebte sie Antisemitismus und wurde zudem für ihr Aussehen gehänselt. Doch die junge Therese ließ sich nicht beirren. Mit 20 begann sie nach einem Vorsprechen eine Ausbildung bei der österreichisch-deutschen Schauspielerin Tony Wittels-Stury und befolgte deren Rat: wirklich jede Rolle zu spielen, auch die alten und abstoßenden Frauen. Genau dieses Metier sollte das Glanzstück ihrer Karriere werden. Doch für eine Laufbahn am Theater musste der Nachname weg: Als „Therese Gift“ ließ sich keine Karriere machen. Ihre Schwester Irma, von den vier Geschwistern die einzige, zu der Therese eine innigere Beziehung hatte, schlug ihr „Giehse“ als Nachnamen vor. 

Einige Jahre tingelt die junge Darstellerin mit kleinen Theatertruppen durch die bayerische Provinz, bis sie 1926 bei den Münchner Kammerspielen unter Regisseur Otto Falkenberg engagiert wurde. Schnell etablierte sie sich in vielfältigen Frauenrollen, im „Biberpelz“ von Gerhart Hauptmann und der Aufführung von Heinrich von Kleists „Der Zerbrochene Krug“.
Ihr Können zog das Publikum in den Bann, darunter auch Klaus Mann – mit ihm und seiner Schwester Erika verband Therese Giehse bald eine enge Freundschaft, mit Erika Mann sogar eine mehrjährige Beziehung. Auch die Nationalsozialisten bewunderten die Schauspielerin – nicht wissend, dass sie jüdisch ist. 

Doch deren Bewunderung wollte Therese Giehse nicht. Gemeinsam mit den Geschwistern Mann und dem Musiker Magnus Henning eröffnete sie am 1. Januar 1933 das politische Kabarett „Die Pfeffermühle“, das sich mit beißend ironischen Texten über Hitler und seine Anhänger lustig machte. Als wäre die Opposition gegen die neuen Machthaber nicht riskant genug, spielte das Ensemble auch noch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Münchner Hofbräuhaus, dem beliebten Treffpunkt der Münchner Nationalsozialisten. 

Das konnte nicht lang gutgehen: Am 13. März musste Giehse Hals über Kopf vor einer Verhaftung in die Schweiz fliehen, wo die Kabarettisten fortan im Zürcher Gasthaus „Hirsch“ auftrat. „Die Pfeffermühle“ tourte durch acht europäische Länder und gab über 1000 Vorstellungen. Erika Mann war für den Großteil der Texte verantwortlich und moderierte die Abende als Conferencière, Giehse begeisterte mit ihrem Schauspiel das Publikum. 

Vom nationalsozialistischen Deutschland ausgebürgert, gingen Giehse und Mann jeweils Scheinehen mit englischen Homosexuellen ein, um einen britischen Pass zu bekommen. 1936 reiste das Kabarett-Ensemble in die USA, doch dort kriselte es bald zwischen den Partnerinnen: Therese Giehse war in der deutschen Sprache zuhause, mehr und mehr wurde ihr bewusst, dass sie sich eine Karriere im englischsprachigen Theater nicht vorstellen konnte. Giehse und Mann trennten sich, blieben sich aber lebenslang freundschaftlich verbunden. Giehse ging nach Zürich zurück und spielte dort bis Kriegsende am Schauspielhaus. 1948 trat sie dort das erste Mal für Bertolt Brecht auf in dessen Stück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“. 

1949 kehrte sie an die Münchner Kammerspiele zurück. Dort feierte 1950 Brechts Stück „Mutter Courage“ Premiere, die mit stehenden Ovationen endete. Die Rolle wird seitdem wie keine andere mit Therese Giehse verbunden. Brecht und Giehse formten eine tiefe, lange Freundschaft. Jahrelang pendelte sie zwischen ihrem Engagement in München und Berlin, um dort mit Brechts „Berliner Ensemble“ zu spielen. 
Ähnlich produktiv war ihre Freundschaft mit dem Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt. Giehse war eine der ersten, der Dürrenmatt seine Texte zu lesen gab, so las sie auch „Die Physiker“ als eine der ersten. „Und dann bin ich so furchtbar angesprungen auf den Zahnt und habe gesagt, das finde ich eigentlich die schönste Rolle“, erzählte sie in einem Interview. Die Rolle des Nervenarztes von Zahnt war eigentlich als Mann angelegt – Dürrenmatt schrieb die Rolle für Giehse um. Sie spielte die Figur mit Hingabe. 

Auch im Fernsehen bewies sie ihr Talent. Schon 1955 bekam sie für ihre Rolle in „Kinder, Mütter und ein General“ den deutschen Filmpreis. In deutsche Wohnzimmer zog sie ab 1974 als „Oma Häusler“ in Helmut Dietls „Münchner Geschichten“. Giehse, die sich selbst attestierte, faul zu sein, aber auf der Bühne und für ihre Rollen unermüdlich ackerte, hätte wohl noch Jahre weitergemacht. Doch am 3. März 1975 starb sie drei Tage vor ihrem 77. Geburtstag unerwartet an Komplikationen nach einer Operation.

 

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