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05. September 1972: 50. Jahrestag Olympia-Geiselnahme in München und Fürstenfeldbruck

In den frühen Morgenstunden des 5. September geschieht, was keiner der Verantwortlichen für möglich gehalten hatte. Obwohl es mehrere Warnungen zu verschiedenen Bedrohungslagen für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München gab, konnte ein Kommando der palästinensischen Splittergruppe „Schwarzer September“ ungehindert ins Olympische Dorf eindringen. Die Mitglieder des Kommandos schlichen sich zum Appartement der männlichen israelischen Sportler und versuchten, diese als Geiseln zu nehmen. Als der Ringer Moshe Weinberg und der Gewichtheber Yossef Romano Widerstand leisten, eröffnen die Angreifer das Feuer. Die beiden Israelis werden schwer verwundet und sterben noch im Olympischen Dorf an ihren Verletzungen. Alle Verhandlungen zwischen dem Krisenstab und den Geiselnehmern scheiterten. Mehrere Befreiungsversuche wurden konzipiert und vorbereitet, mussten jedoch nach und nach fallen gelassen werden. Als letzte Option blieb aus Sicht des Krisenstabes nur noch eine Geiselbefreiung auf dem knapp 20 Kilometer entfernten Fliegerhorst der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck, von dem aus die Geiselnehmer und Geiseln vermeintlich nach Ägypten ausgeflogen werden sollten.

Der Befreiungsversuch in Fürstenfeldbruck

Der Befreiungsversuch scheitert: Die Mitglieder des palästinensischen Kommandos erschießen während des neunzigminütigen Feuergefechts acht der neun Geiseln und einen deutschen Polizisten. Der neunte Israeli, der Gewichtheber David Berger, sitzt gefesselt in einem der zwei Hubschrauber, mit denen der Krisenstab die Geiselnehmer und ihre Opfer gemäß ihrer Forderung zum Flughafen gebracht hatte. Er stirbt an einer Rauchvergiftung, nachdem einer der Attentäter den Helikopter mit einer Handgranate in Brand gesetzt hat. Von den acht palästinensischen Kommandomitgliedern kommen fünf durch Schüsse der Polizeischützen ums Leben; drei können festgenommen werden.

Am 29. Oktober 1972 entführt ein anderes palästinensisches Kommando die Lufthansa-Maschine „Kiel“ auf dem Weg von Damaskus nach Frankfurt am Main. Gegen den Willen der israelischen Regierung stimmt die Bunderegierung den Forderungen nach Freilassung der überlebenden Geiselnehmer von München zu.

Nachwirkungen

Die Geiselnahme von München und die gescheiterte Geiselbefreiung lösten einen Schock aus. Der Schock wirkt besonders bei den Hinterbliebenen und den Überlebenden bis heute nach. Neun Israelis, ermordet auf deutschem Boden, vor den Augen der Polizeikräfte. Für das Selbstverständnis der noch jungen Bundesrepublik bedeutete das eine Zäsur. Bei den Olympischen Spielen in München hatte man sich der Welt friedlich und fortschrittlich, weltoffen und modern präsentieren wollen. Sie sollten ein Gegenbild sein zu Olympia 1936 in Berlin. Eine entmilitarisierte, farbenfrohe Bundesrepublik sollte zu einem rauschenden Fest einladen. Für die israelischen Sportler endeten sie tödlich.

War die Bundesrepublik ein „Eldorado“ für militante palästinensische Netzwerke?

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der Deutschen Demokratischen Republik fasste wenige Tage nach der Geiselnahme und den Ereignissen in Fürstenfeldbruck die Fehler der westdeutschen Einsatzkräfte zusammen. Spannend ist insbesondere der Vorwurf an die Bundesrepublik, dass das Staatsgebiet des „Klassenfeindes“ ein „Eldorado“ für militante palästinensische Netzwerke gewesen sei. War dieser Vorwurf korrekt?

Palästinensische Netzwerke, die die Geiselnehmer unterstützten

Das Schaubild des MfS zeigt deutlich, auch wenn es nicht in allen Details stimmt: Es gab in der Bundesrepublik Deutschland eine Zentrale der Fatah in Langen/Hessen mit ca. 36 „Zweig- und Kontaktstellen“ im gesamten Bundesgebiet mit ca. 1.500 Mitgliedern. Wie genau die Unterstützungsleistungen der palästinensischen Netzwerke für das Geiselnehmerkommando in München aussahen, wurde bisher nicht restlos aufgeklärt.

Offene Fragen und Gedenkveranstaltung

Dieses kleine und auf Hessen bezogene Beispiel zeigt: Viele Fragen über die Hintergründe der Olympia-Geiselnahme und die Ereignisse am 5. September 1972 sind noch unbekannt und müssen quellengestützt aufgearbeitet werden. Um die Aufarbeitung nach 50 Jahren voranzutreiben, ist die Einsetzung einer deutsch-israelischen Historikerkommission vorgesehen. Die zentrale Gedenkfeier an die Opfer der Olympia-Geiselnahme findet am 5. September 2022 in Fürstenfeldbruck statt.