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23. Januar 1948: 75. Jahrestag der Uraufführung von „Film ohne Titel“

Am 23. Januar 1948 feierte mit Rudolf Jugerts „Film ohne Titel“ ein cineastisches Werk Premiere, das sowohl in der unmittelbaren Rezeptionsgeschichte in den späten 1940er- und frühen 1950er-Jahren als auch in der Rückschau auf die deutsche Kriegsbewältigung in späteren Tagen als Barometer der gesellschaftlichen Nachkriegsstimmung galt und gilt. Das Zusammenspiel aus historischer Authentizität, Identifikationspotential der Rezipienten mit den Charakteren, ohne konfliktbesetzte Themenfelder wie die während der NS-Diktatur aufgeladene Schuld zu vertiefen, und der schauspielerischen Leistung der Darsteller ist vor dem Hintergrund des drei Jahre zuvor noch wütenden Weltkrieges umso bemerkenswerter.

Produktion

Der „Film ohne Titel“ wurde in den Jahren 1947 und 1948, also noch vor der Währungsreform, von der „Camera-Filmproduktion Hamburg GmbH“ produziert und am 23. Januar 1948 in den Westsektoren Berlins uraufgeführt. Helmut Käutner verfasste gemeinsam mit Rudolf Jugert und Ellen Fechner das Drehbuch, während Hildegard Knef, die bereits mit dem Trümmerfilm „Die Mörder sind unter uns“ aus dem Jahre 1946 erste Erfolge verzeichnen konnte, durch ihr Mitwirken in „Film ohne Titel“ als die Bauerntochter Christine Fleming endgültig ihren Durchbruch feierte. In weiteren Rollen sind Hans Söhnker als Kunsthändler Martin Delius und der bereits bekannte Schauspieler Willy Fritsch zu sehen, der sich selbst darstellt.

Handlung

Der Film thematisiert die deutsche Gesellschaft in den letzten Kriegstagen sowie in den Wochen und Monaten nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 anhand von einer mit der Rahmenhandlung verschränkten Binnenhandlung. Die Protagonisten der Rahmenhandlung bilden ein Drehbuchautor, ein Regisseur und der Schauspieler Willy Fritsch. Sie sind vor dem Hintergrund der von Krieg und Kriegsfolgen gezeichneten deutschen Gesellschaft auf der Suche nach passendem Stoff für einen Film. Rahmen- und Binnenhandlung sind dadurch verschränkt, dass den dreien mit Kunsthändler Martin Delius und Christine Fleming zwei dem Autor bekannte Personen begegnen. Dieser beginnt nach deren Verlassen der Szene, in Form verschiedener Rückblenden die Geschichte der beiden zu erzählen. Am Ende des Krieges zieht die ausgebombte Geschäftspartnerin von Delius, Angelika Rösch, mit ihrer Haushaltshilfe Christine in Delius‘ Villa in Berlin-Grunewald. Trotz standesbedingter Differenzen kommen Christine und Martin sich in den letzten Kriegstagen, die unter Darstellung von Bombenangriffen und Kriegsflüchtlingen authentisch wiedergegeben werden, näher. Christine verlässt Martin jedoch, da dieser aufgrund der gesellschaftlichen Gepflogenheiten zögert, sich zu ihrer Verbindung zu bekennen. Nach Kriegsende erreicht Martin als Kriegsflüchtling den Bauernhof von Christines Familie, die ihn neben weiteren Flüchtlingen und Vertriebenen aufnimmt. Um Christines Vater von einer Heirat zu überzeugen, arbeitet Martin als Bauer auf dem Hof mit. In der Rahmenhandlung diskutiert das Autorentrio nun über potentielle Ausgänge der Geschichte. Zunächst existieren ein expressionistisch-gesellschaftskritisches und ein komödiantisch-romantisiertes Ende nebeneinander, bis die Autoren die Protagonisten Christine und Martin auf ihrer anstehenden Hochzeit über den tatsächlichen Verlauf ihrer Geschichte befragen: Beide haben sich nach einer kurzen, voneinander getrennten Zeit auf die Suche nach dem jeweils anderen gemacht und sich schließlich auf einem Schiffsanleger wiedergefunden.

Rezeptions- und Interpretationsgeschichte

Als einer der erfolg- und einflussreichsten Trümmer- und Nachkriegsfilme setzt der „Film ohne Titel“ sich authentisch, aber nicht anklagend mit Kriegserfahrungen und wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Kriegsfolgen auseinander. Einzelne Charakter können dabei als Projektionsfläche der Sorgen, Nöte und Hoffnungen früher Rezipienten gesehen werden. Der Film kann also mit Recht als authentisches Zeugnis der deutschen Nachkriegsgesellschaft anerkannt und gleichzeitig als künstlerische Bewältigungsstrategie verstanden werden. Insofern ist er für die historisch-politische Bildungsarbeit in einer Doppelfunktion von Relevanz – einerseits als Quelle und andererseits als Exempel für die Vielfältigkeit der Formen ebendieser politischen Bildungsarbeit.

Aufführung in Berlin-Ost und Auszeichnungen

Der „Film ohne Titel“ feierte am 14. Dezember 1948 im sowjetisch besetzten Sektor Berlins Premiere, was angesichts der zunehmenden Entfremdung der Westalliierten gegenüber der Sowjetunion im deutschlandpolitischen und internationalen Kontext durchaus bemerkenswert ist. Die Filmbewertungsstelle mit Sitz in Wiesbaden verlieh dem Film bereits 1948 das Prädikat „wertvoll“. Hildegard Knef, die zum bedeutenden deutschen Nachkriegsstar aufstieg, erhielt im selben Jahr bei den Internationalen Filmfestspielen in Locarno die Auszeichnung als beste Schauspielerin. 

Durchbruch für Hildegard Knef

Die 1925 in Ulm geborene Knef hatte sich nach den Filmen „Unter den Brücken“ (1944) und „Fahrt ins Glück“ (1945) vor Kriegsende sowie ihrem ersten Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ (1946) einen Namen gemacht. Mit „Film ohne Titel“ wurde man auch international auf sie aufmerksam. Gefördert und ausgebildet wurde sie von Else Bongers, die in den 40er und 50er Jahren Besetzungschefin der UFA war.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung können u. a. folgende Publikationen zum Thema bestellt werden: